Und am Ende?

Was passiert bei Ablauf des Erbbaurechtsvertrages?

28. Juni 2023

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Was haben Sie in 99 Jahren vor? Wenn Sie nicht zu den sehr jungen Lesern dieses Artikels gehören, wahrscheinlich nicht mehr viel. 99 Jahre sind eine unvorstellbar lange Zeit. Und dennoch werden diese 99 Jahre für tausende von Haushalten in den kommenden Jahren auf einmal sehr real: Denn viele der in den 1920er Jahren abgeschlossenen Erbbaurechtsverträge laufen – 99 Jahre später – aus.

Doch was passiert hier eigentlich auf rechtlicher Ebene und warum ist es so wichtig, dass sich Erbbaurechtsgeber und Erbbaurechtsnehmer frühzeitig damit auseinandersetzen?


Laufen alle Erbbaurechtsverträge 99 Jahre lang?

Als erstes: Es ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass ein Erbbaurechtsvertrag 99 Jahre lang läuft. Es ist gesetzlich noch nicht mal vorgeschrieben, dass der Vertrag überhaupt eine Dauer hat. Dies wird in anderen Ländern – zum Beispiel in Österreich – unterschiedlich gehandhabt. In Deutschland könnte ein ein Jahr langer Erbbaurechtsvertrag genauso vereinbart werden, wie ein ewig laufendes Erbbaurecht. Nur ist beides wirtschaftlich nicht besonders sinnvoll, weshalb man entsprechende Verträge in der Praxis kaum finden wird.

Doch die Beteiligten haben ein Interesse daran, dass der Vertrag über eine längere Zeit läuft: Regelmäßig bebaut der Erbbaurechtsnehmer das Grundstück und dies rentiert sich erst ab einer gewissen Laufzeit. Auch Banken benötigen zur Finanzierung eines Erbbaurechts eine lange Laufzeit, um auf eine Sicherheit zurückgreifen zu können.

Die bekannten 99 Jahre resultieren übrigens aus der folgenden Überlegung: Grob geschätzt lebt eine Generation für ca. 33 Jahre in einem Haus. Schließt man also einen Erbbaurechtsvertrag über 99 Jahre, so soll das Grundstück für 3 Generationen bereitgestellt werden.


Endlichkeit von Erbbaurechtsverträgen

Doch auch diese 99 Jahre kommen irgendwann einmal zu einem Ende. Um zu verstehen, was dann passiert, muss man einen Schritt zurückgehen und betrachten, was mit dem Erbbaurecht überhaupt verändert wird:

Das Erbbaurecht stellt eine Ausnahme von den §§ 93,94 BGB dar. Nach § 93 BGB können wesentliche Bestandteile einer Sache nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Nach § 94 BGB ist ein Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstücks auf dem es steht. Danach ist also der Eigentümer eines Grundstücks grundsätzlich auch Eigentümer des darauf errichteten Gebäudes als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

Mit dem Erbbaurechtsvertrag wird nun diese Zuordnung aufgebrochen: Das Gebäudeeigentum wird vom Grundstückseigentum getrennt und dem Erbbaurecht zugeordnet. Es gibt also zwei Eigentümer: Den Erbbaurechtsgeber als Grundstückseigentümer und den Erbbaurechtsnehmer als Gebäudeeigentümer.


Automatische Rückkehr zum Normalfall

Mit Ablauf des Erbbaurechtsvertrages tritt mit den §§ 93, 94 BGB wieder der gesetzliche Regelfall ein: Das Gebäude wird wieder dem Grundstück zugeordnet und der Grundstückseigentümer wird wieder Eigentümer des Gebäudes.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass dies „von Gesetzes wegen“ passiert. Das bedeutet, dass es kein Zutun des Erbbaurechtsnehmers und des Erbbaurechtsgebers bedarf, also zum Beispiel eine Einigung darüber, dass der Erbbaurechtsgeber nun auch wieder Eigentümer des Gebäudes wird. Dies geschieht automatisch mit Zeitablauf.

Natürlich steht der Erbbaurechtsnehmer nicht mit leeren Händen dar: ganz regelmäßig sehen jedenfalls Wohnerbbaurechte vor, dass der Erbbaurechtsnehmer bei Ablauf des Vertrages für den Verlust seines Gebäudes entschädigt werden muss. Typisch sind hier 66 % des aktuellen Verkehrswerts.


Frühzeitiges Handeln und Vermeiden einer Zwischenphase

Auf Grundlage dieses gesetzlichen Regelfalles müssen sich nun die Beteiligten fragen, ob ein Ablauf des Erbbaurechtsvertrages gewollt ist. 

Dabei sollten die Parteien so früh wie möglich in einen Diskurs treten. Je weiter der Ablauf des Vertrages noch entfernt, um so größer sind die Möglichkeiten, den Vertrag zur Zufriedenheit beider Seiten zu verlängern. 

Was dabei auf jeden Fall vermieden werden sollte, ist ein Ablauf des Erbbaurechtsvertrages und eine erst sich daran anschließende Erneuerung. Denn dann entsteht eine Zwischenphase, in der das Gebäude von Rechts wegen wieder dem Grundstückseigentümer gehört, der (ehemalige) Erbbaurechtsnehmer allerdings noch in dem Gebäude wohnt. Dies löst viele Probleme aus, da im Zweifel nicht geregelt ist, wer für Schäden an Gebäude oder Grundstück in dieser Phase verantwortlich ist oder ob der Grundstückseigentümer dem Erbbaurechtsnehmer das Gebäude überhaupt unentgeltlich überlassen darf.

Soll der Erbbaurechtsnehmer auch nach Ablauf der 99 Jahre weiter in dem Gebäude wohnen bleiben dürfen, so wird der Vertrag am besten frühzeitig verlängert. Denn dann können sowohl rechtliche Unsicherheiten vermieden, als auch der regelmäßig auftretende Sprung im Erbbauzins kleiner gehalten werden.


Zusammenfassung

Der Ablauf des Erbbaurechtsvertrages ist normal und stellt den absoluten Regelfall dar. Mit Ablauf tritt wieder die gesetzliche Ausgangslage ein und der Erbbaurechtsgeber wird wieder Eigentümer des Gebäudes. Dies geschieht automatisch und ohne Zutun der Parteien. Diese können sich aber darauf einigen, den Vertrag zu verlängern und so einem Ablauf zuvorkommen. Um bei der Verlängerung möglichst viele Gestaltungsoptionen zu haben, sollte der Vertrag möglichst frühzeitig und mit einigen Jahren Restlaufzeit verlängert werden.

Die Probleme und Fragestellungen, aber auch die möglichen Gestaltungsformen bei Ablauf und Verlängerung von Erbbaurechten sind vielfältig. Wir sind Experten im Erbbaurecht und unterstützen Erbbaurechtsgeber bei der Erstellung von Konzepten im Umgang mit Erbbaurechten. Gleichzeitig kaufen wir auch Erbbaurechte und Erbbaurechtsgrundstücke an; auch bei geringer Restlaufzeit. 

Sprechen Sie uns bei weiteren Fragen gerne an.

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