Marktgerechte Erbbaurechte

Anforderungen an einen attraktiven Erbbaurechtsvertrag

18. September 2023

Blog

Während die kirchliche Vermögensverwaltung schon immer und kontinuierlich sehr erfolgreich auf das Erbbaurecht setzt, greifen die Kommunen erst in den letzten Jahren wieder verstärkt darauf zurück. Dabei soll das Erbbaurecht häufig nicht nur als reines Mittel zur Renditeerwirtschaftung eingesetzt werden, sondern darüber hinaus auch wohnungspolitischen (häufig auch „gemeinwohlorientierten“) Zielen dienen. Hierzu bietet sich das Erbbaurecht insbesondere deshalb an, da – anders als bei einer Veräußerung des Grundstücks – über den Erbbaurechtsvertrag während der gesamten Laufzeit des Erbbaurechts sichergestellt werden kann, dass der Erbbaurechtsnehmer sich an die Vorgaben des Erbbaurechtsgebers hält.


Problematisch wird dies aber dann, wenn der Erbbaurechtsvertrag mit diesen Vorgaben überfrachtet wird. Der Investor kann für eine Stellung als Erbbaurechtsnehmer nur dann begeistert werden, wenn diese für ihn mindestens so attraktiv ist, wie der Erwerb des Objekts im Volleigentum.

Dieser Artikel soll exemplarisch einige wichtige Stellschrauben im Vertrag aufzeigen, die zugunsten des potentiellen Erbbaurechtsnehmers nicht zu fest gezogen werden sollten.

Angemessene Erbbauzinssätze

Der zu zahlende Erbbauzins hat einen hohen Einfluss auf den Wert und die Attraktivität des Erbbaurechts. Bei der Entscheidung zugunsten einer Immobilie im Erbbaurecht spielt die Cashflowbetrachtung eine entscheidende Rolle: Ist es für den potentiellen Erbbaurechtsnehmer auch auf lange Sicht rentabel, sich anstelle einer Grundstücksfinanzierung für die Zahlung eines Erbbauzins zu entscheiden? Wenn die Kosten des Erbbaurechts bereits nicht mit den Kosten einer Vollimmobilie mithalten können, hat das Erbbaurecht kaum Attraktivität.

Der Erbbaurechtsgeber hat also über die Höhe des Erbbauzinses viele Steuermöglichkeiten. Diese nutzt er nicht, wenn er einen von Anfang an unangemessen hohen Erbbauzins wählt. In diesem Rahmen muss dem Erbbaurechtsgeber klar sein, dass der Erbbaurechtsmarkt ein eigener Teilbereich des Immobilienmarkts mit eigenen Besonderheiten, Vorteilen und Schwierigkeiten ist.

So kann es zum Beispiel vorkommen, dass die Refinanzierung von Baukosten bei einer Immobilie im Erbbaurecht nur unter höheren Zinsen möglich ist, als die Finanzierung desselben Vorhabens im Volleigentum. Denn der Bank kann nicht das Grundstück und dessen Wert als Sicherheit einwerten.

Diese Besonderheiten des Marktes müssen in der Bestimmung eines angemessenen und marktfähigen Erbbauzinses berücksichtigt werden.


Zusammenhang zwischen Erbbauzins und weiteren vertraglichen Bindungen

Gerade Kommunen setzen das Erbbaurecht auch zu wohnungspolitischen Zwecken ein. Ziel ist es einerseits, das Grundstück nicht durch einen Verkauf für alle Zeiten aus der Hand zu geben und andererseits über den Erbbaurechtsvertrag die Möglichkeit zu erhalten, während der gesamten Laufzeit bei der Nutzung des Gebäudes mitbestimmen zu können.

Ein Beispiel: Der Erbbaurechtsgeber möchte, dass in dem zu errichtenden Gebäude mindestens 20 % der Wohnfläche für Sozialwohnungen genutzt wird. Eine entsprechende Klausel kann in den Erbbaurechtsvertrag mitaufgenommen werden und Verstöße des Erbbaurechtsnehmers dagegen können sanktioniert werden.

Eine derartige Klausel muss sich aber in der Höhe des Erbbauzinses widerspiegeln: Der Erbbaurechtsnehmer wird in seinen Berechnungen genau berücksichtigen, dass er einen Teil der zu errichtenden Wohnungen nicht am freien Markt vermieten kann und Abschläge in den Mietzahlungen hinnehmen muss.

Diese reduzierten Einnahmen sind jedenfalls zu einem Teil durch einen reduzierten Erbbauzins abzufangen: jede Einschränkung, die das Erbbaurecht unattraktiver macht, muss durch einen Vorteil an anderer Stelle relativiert werden.


Angemessene Entschädigungsklausel

Bei Ablauf des Erbbaurechts verliert der Erbbaurechtsnehmer sein Eigentum an dem Gebäude an den Grundstückseigentümer. Hierfür ist er aber regelmäßig durch den Erbbaurechtsgeber zu entschädigen, Erbbaurechtsverträge enthalten eine sogenannte Entschädigungsklausel.

Etabliert hat sich in vielen Verträgen eine Entschädigung in Höhe von zwei Dritteln des Verkehrswerts. Diese Höhe ist aber weder in den allermeisten Fällen gesetzlich vorgeschrieben noch sinnvoll: Denn dadurch sinkt für den Erbbaurechtsnehmer mit jedem Jahr der Anreiz, Investitionen in das Gebäude zu tätigen – diese werden schließlich am Ende der Laufzeit nicht entsprechend ihres Wertes entschädigt.

Auch den Erbbaurechtsnehmer vertraglich zur Instandhaltung zu verpflichten, löst das Problem nur augenscheinlich: der Erbbaurechtsvertrag wird damit für den potentiellen Erbbaurechtsnehmer nur unattraktiver. Eine – gerade auch für die Mieter – sinnvolle Anreizstruktur auf Seiten des Erbbaurechtsnehmers als gleichzeitigem Vermieter lässt sich nur mit einer angemessenen Entschädigungshöhe am Ende der Vertragslaufzeit herstellen.


Heimfallregelungen

Der Heimfall ist ein Anspruch des Erbbaurechtsgebers gegen den Erbbaurechtsnehmer auf Übertragung des Erbbaurechts an ihn oder einen Dritten unter gewissen Voraussetzungen. Zum Beispiel kann gemäß § 9 Absatz 4 ErbbauRG der Zahlungsverzug des Erbbaurechtsnehmers mit dem Erbbauzins in Höhe von zwei Jahresbeträgen einen Heimfallanspruch begründen.

Der Heimfallanspruch ist aber nicht hierauf beschränkt, sondern kann grundsätzlich für viele einzelne „Fehler“ des Erbbaurechtsnehmers definiert werden. In der Praxis kommt der Heimfall allerdings nur sehr selten vor: natürlich setzt der Erbbaurechtsnehmer alles daran, sein Erbbaurecht nicht wieder zu verlieren. Der Heimfallanspruch geht aber in aller Regel auch mit einer Entschädigungszahlung des Erbbaurechtsnehmers einher, § 32 Absatz 1 ErbbauRG. Diese finanzielle Mehrbelastung führt dazu, dass die Ausübung des Heimfalls auch für den Erbbaurechtsgeber unattraktiv sein kann.

Gleichzeitig müssen aber das Erbbaurecht finanzierende Banken all die getroffenen Heimfallregelungen bei der Bewertung des Erbbaurechts bewerten. Und jeder Heimfallanspruch mündet regelmäßig in einer weiteren (und häufig unnötigen) Reduktion des Wertes des Erbbaurechts.


Fazit

Grundstückseigentümer haben über den Erbbaurechtsvertrag großen Einfluss darauf, was mit dem Gebäude geschieht. Doch wenn dies dazu führt, dass die Möglichkeiten des Erbbaurechtsnehmers stärker eingeschränkt werden, als bei einer Veräußerung des Grundstücks, verliert das Erbbaurecht seine Attraktivität. 

Eine Herangehensweise ist es, jede Einschränkung, die der Erbbaurechtsgeber vornimmt und die bei einer Veräußerung nicht stattfände, durch einen reduzierten Erbbauzins zu kompensieren; möchte der Erbbaurechtsgeber etwas von seinem Erbbaurechtsnehmer, so muss sich dies für ihn lohnen.

Dieser Artikel hat einzelne Stellschrauben exemplarisch beleuchtet. Der Erbbaurechtsvertrag bietet aber noch viele weitere Chancen, das Erbbaurecht am Markt als die deutlich attraktivere Alternative zum Grundstückskauf zu etablieren; bleiben diese ungenutzt, besteht aber auch das Risiko, bei einer Vergabe von Erbbaurechten auf taube Ohren zu stoßen.


Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie planen oder überlegen, Abstand von einer Veräußerung Ihrer Grundstücke zu nehmen und eine Vergabe im Erbbaurecht anstreben. Wir helfen!

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