Erbbaurecht und Gemeinwohl

Dem Erbbaurecht wird häufig ein sozialer Charakter zugeschrieben. Stimmt das?

28. Juli 2023

Blog

Steigende Kosten für Wohnraum in ganz Deutschland

In vielen Metropolen Deutschlands steigen die Kosten für Miete und bezahlbaren Wohnraum Jahr um Jahr an.

Die Sozialwohnraumbindungen aus den 90er Jahren laufen gerade aus, Altbestände werden zum Teil luxussaniert und statt neuer Projekte klaffen in vielen Städten häufig Baulücken.

Der Hintergrund: Veräußert die Kommune ihr Eigentum an einem Grundstück ist ihre Einflussnahme darauf zeitlich beschränkt. Regelmäßig ist nach spätestens 30 Jahren Schluss und eine Bindung des Eigentums an bestimmte Zwecke ist nicht mehr möglich. 


Die Lösung: Das Erbbaurecht

Das Erbbaurecht erlebt vor diesem Hintergrund gerade eine Renaissance. Wurde es im letzten Jahrhundert vor allem als Förderinstrument eingesetzt, sind nun die rechtlichen Möglichkeiten entscheidend, die das Erbbaurechtsgesetz den Parteien eröffnet. Denn anderes als bei einer Veräußerung gehen die Parteien des Erbbaurechtsvertrags eine langfristige Partnerschaft ein – für Immobilien eine einzigartige Situation.

Vergibt die Kommune ihre Grundstücke im Erbbaurecht, kann sie als Teil dieser Partnerschaft für die gesamte Vertragsdauer die Verwendung des Erbbaurechts mitbestimmen. Wohnungspolitische Ziele werden fester Bestandteil des Vertrages.


Dauerhafte Sicherung des Bodenvermögens

Die Ressource Boden ist endlich. Zwar gehört der öffentlichen Hand nach wie vor viel Grund, mit jedem Verkauf schrumpft die Menge an unter der Kontrolle der öffentlichen Hand liegenden Grundstücke aber zwangsläufig. Dies ist vor allem dann kritisch, wenn – wie häufig – eine Finanzierung des Gemeindehaushalts durch den Verkauf von Grundstücken getragen wird. Dieser „Ausverkauf des Tafelsilbers“ ist nicht nachhaltig und geschieht auch auf Kosten der folgenden Generationen, denen dieses Vermögen genommen wird.

Durch das Erbbaurecht wird nun dieses Vermögen nicht veräußert, sondern wirtschaftlich genutzt. Grundstücke werden nicht verkauft, sondern durch eine Vergabe im Erbbaurecht bewirtschaftet. 

Dabei können sich kommunale Grundstückseigentümer in der Stellung als Erbbaurechtsgeber einerseits während der Laufzeit der Erbbaurechte durch besondere Regelungen in den Erbbaurechtsverträgen und andererseits auch nach Ablauf der Erbbaurechte durch eine erneute Bestellung eines Erbbaurechts auf dem jeweiligen Grundstück erheblichen Einfluss auf die tatsächliche Nutzung der Grundstücke sichern.


Einflussnahme während der Laufzeit

Während der Laufzeit des Erbbaurechts hat die Kommune beispielweise durch Heimfallregelungen die Möglichkeit, sicherzustellen, dass das Erbbaurecht nur zu den Zwecken verwendet wird, die die Parteien bei der Vergabe des Erbbaurechts im Erbbaurechtsvertrag festgelegt haben. Entscheidend: Anders als bei einer Veräußerung des Grundstücks ist diese Einflussnahme auch nicht zeitlich begrenzt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Erbbaurechtsgeber mit dem Erbbaurechtsnehmer Verwendungsbeschränkungen vereinbaren, die auch für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren gelten (vgl. BGH NJW 2015, 3436; BGH NJW 2019, 2016).


Wohnungspolitisches Steuerinstrument

Erbbaurechte haben eine andere Risikoverteilung als der „klassische“ Grundstückskauf. Dies ermöglicht einen neuen Umgang mit den aktuellen Problemen der Bodenpolitik.


Mittel gegen Baulücken

Erwirbt der Investor das Grundstück profitiert er ab Kauf auch von dessen Wertentwicklung. Aufgrund der stark steigenden Grundstückswerte führt dies in manchen Regionen dazu, dass es für den Investor finanziell attraktiver ist, das betroffene Grundstück gar nicht zu bebauen, sondern es nach einer gewissen Haltedauer weiter zu veräußern und den Gewinn aus der Steigerung des Bodenwerts zu realisieren; aus Sicht der wohnungsleidenden Stadt eine Katastrophe.

Im Erbbaurecht stellt sich diese Frage nicht: Investitionen in ein Erbbaurecht sind Investitionen in das (noch zu errichtende) Gebäude, nicht in das Grundstück. Der Investor hat also bereits ein wirtschaftliches Interesse daran, den Bau des Gebäudes so bald wie möglich abzuschließen, um überhaupt Wert aus dem Erbbaurecht zu generieren.

Darüber hinaus kann die Bauverpflichtung auch problemlos als Heimfallgrund im Erbbaurechtsvertrag festgehalten werden: Vollendet der Erbbaurechtsnehmer den Bau des Gebäudes nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Zeit, begründet dies einen Heimfallanspruch des Erbbaurechtsgebers und dieser kann die Übertragung des Erbbaurechts verlangen.

Mieterschutz

Anders als mit dem Instrument des Grundstücksverkaufs lassen sich mit der Ausgabe eines Erbbaurechts dauerhafte Beschränkungen erreichen. Dies geschieht über die Vereinbarung von Heimfallgründen im Erbbaurechtsvertrag: Verwendet der Erbbaurechtsnehmer das Bauwerk vertragswidrig, zum Beispiel in dem Mietpreise verlangt werden, die über den im Erbbaurechtsvertag vereinbarten liegen oder vermietet er Wohnungen an einen Personenkreis, der im Vertrag nicht vorgesehen war, kann dies einen Heimfallanspruch des Erbbaurechtsgebers begründen.


Vorteile des Investors

Doch auch für Investoren sind Erbbaurechte interessant. So können neue Projekte deutlich kapitalschonender entwickelt werden. Denn die hohe Anfangsinvestition für den Erwerb des Grundstücks fällt weg. Häufig wird in der Entwicklung außerdem vereinbart, dass der Erbbauzins erst zu zahlen ist, wenn der Rohbau fertiggestellt wurde. Auch dies ein liquiditätsschonender Vorteil des Erbbaurechts für einen Investor.

Außerdem ermöglicht das Instrument Erbbaurecht Flächen durch Investoren zu entwickeln, bei denen dies ohne ein Erbbaurecht nicht möglich ist, weil der Grundstückseigentümer den Grund und Boden nicht verkaufen will oder darf. Landwirte, Kirchen und Stiftungen verkaufen ihren Grundbesitz typischerweise nicht. Soll auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen nun aber eine neue Bebauung realisiert werden, kann das Erbbaurecht eine Entwicklung der Flächen überhaupt erstmalig möglich machen.


Zusammenfassung

Als Erbbaurechtsgeberin kann die Kommune – aus einer starken rechtlichen Position heraus – nachhaltig auf die Nutzung Einfluss nehmen. Bei einem Verkauf sind diesem Einfluss vor allem zeitliche Grenzen gesetzt. 

Vorbehalte, die der Markt dem Erbbaurecht entgegenbringt, sind unbegründet. Entscheidend ist die Verhandlung eines gerechten Erbbaurechtsvertrages, der für beide Seiten Vorteile bereithält.

Hier besteht durchaus Komplexität. Mit dem falschen Erbbaurechtsvertrag wird der Erbbaurechtsgeber keine Interessenten finden.

Wir beraten Kommunen und Grundstückseigentümer bei der Vergabe von Erbbaurechten. Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne.

Kontakt

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